Abrechnung und Aufrechnung einer Barkaution im Wohnraummietverhältnis

Abrechnung und Aufrechnung einer Barkaution im Wohnraummietverhältnis

Häufig kommen bei Beendigung eines Mietverhältnisses Meinungsverschiedenheiten über die Frage auf, in welchem Zustand der Mieter das Mietobjekt zurückzugeben hat und inwiefern dem Vermieter insoweit ggf. Ansprüche zustehen. Regelmäßig spielt dabei auch die Inanspruchnahme einer vom Mieter geleisteten Mietsicherheit eine Rolle. Unsicherheit bestand dabei bis vor kurzem – jenseits der naturgemäß immer im Einzelfall zu klärenden Rechtslage bezüglich des tatsächlichen Bestehens behaupteter Ansprüche – darüber, bis zu welchem Zeitpunkt der Vermieter auf eine vom Mieter als Barkaution geleistete Mietsicherheit zugreifen kann.

1. Ausgangslage

Im Sinne einer möglichst schnellen Klärung etwa bestehender Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter sieht § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB eine gegenüber der ge-setzlichen Regelverjährung deutlich verkürzte Verjährungsfrist von lediglich sechs Monaten ab dem Zeitpunkt vor, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Der Vermieter ist daher gehalten, binnen dieser Frist zu entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang er Ansprüche gegen den Mieter wegen des Zustandes der Mietsache geltend machen will. Ansprüche, die bis zum Ablauf der Verjährungsfrist nicht in verjährungshemmender Weise geltend gemacht wurden, können danach nicht mehr durchgesetzt werden, wenn der Mieter die Einrede der Verjährung erhebt. Der Vermieter muss daher zügig klären, ob ihm Ansprüche wegen des Zustandes der Mietsache zustehen, insbesondere Schadensersatzansprüche (etwa wegen Beschädigungen der Mietsache oder unterlassenen bzw. nicht ordnungsgemäß ausgeführten Schönheitsreparaturen). Dabei können sich diverse Fragen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht stellen, die mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind und sich in einem Gerichtsverfahren auch nicht ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen klären lassen. Vielfach erweist es sich daher für den Vermieter selbst bei dem Grunde nach offensichtlich erscheinenden Sachverhalten als wirtschaftlich nicht sinnvoll, diesen Anspruch zu verfolgen. Es stellt sich dann die Frage, ob der deshalb keine Maß-nahmen einleitende Vermieter sich nach Verjährung seiner Ansprüche wenigstens noch passiv gegen eine Inanspruchnahme auf Rückgewähr der Kaution durch den Mieter verteidigen kann.

Hat der Mieter eine Barkaution geleistet, ist die Inanspruchnahme der Kaution durch den Vermieter zunächst einmal unkompliziert, da der Vermieter den Geldbetrag einfach behalten kann. Häufig fällt die Entscheidung des Vermieters daher so aus, dass er den Kautionsbetrag einbehält und abwartet, ob der Mieter einen Kautionsrückgewähranspruch geltend macht. Unterbleibt dies, ist die Sache erledigt. Wird der Rückgewähranspruch – wie in der Praxis häufig – erst nach Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht, stellt sich die Frage, ob der Vermieter sich trotz eingetretener Verjährung seiner Forderungen noch mit einer Aufrechnung verteidigen kann.

2. Problemstellung
Grundsätzlich ist es nicht möglich, mit Forderungen aufzurechnen, denen eine Einrede entgegensteht (§ 390 Abs. 1 BGB). Da eine solche Einrede auch die Einrede der Verjährung darstellt, wäre der Vermieter bei Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Mieter grundsätzlich gehindert, seiner Inanspruchnahme bestehende (aber verjährte) Ansprüche entgegenzuhalten.

Einen Ausweg scheint § 215 BGB zu bieten. Danach schließt die Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Bestanden die Schadensersatzansprüche des Vermieters gegen den Mieter wegen des Zustandes der Mietsache also bereits, bevor die Verjährungsfrist abgelaufen ist, wäre nach dieser Vorschrift eine Aufrechnung auch noch nach Ablauf der Verjährungsfrist möglich. Der Vermieter könnte sich auch noch nach Eintritt der Verjährung mit einer Aufrechnung gegen eine Kautionsrückzahlungsklage des Mieters verteidigen.

Nun sind jedoch einige Instanzgerichte auf die Idee verfallen, dem Vermieter diese Aufrechnungsmöglichkeit nur dann eröffnen zu wollen, wenn er innerhalb der Verjährungsfrist zumindest erklärt hat, dass er eine Geldforderung und nicht etwa eine Naturalrestitution (Herstellung des Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestünde) verlangt. Hintergrund dieser Überlegung ist § 249 BGB, der wie folgt lautet:

„(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.“

Der Geschädigte hat also ein Wahlrecht: Er kann entscheiden, ob er die Wiederherstellung des Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestünde, oder den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangt. Nur die zweite Alternative hat aber eine Geldforderung zum Gegenstand und ist des-wegen gleichartig mit dem (ebenfalls auf eine Geldzahlung gerichteten) Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution, sodass eine Aufrechnung nur hinsichtlich dieser Alternative in Betracht kommt.

Vor diesem Hintergrund sollte der Ver-mieter nach Ansicht einiger Gerichte nach Eintritt der Verjährung nur dann noch zu einer Aufrechnung in der Lage sein, wenn er vor Eintritt der Verjährung erklärt hat, Schadensersatz in Geld zu verlangen. Dies hat naturgemäß in vielen Fällen zu dem Ergebnis geführt, dass Vermieter die Kaution gegen den Mieter auszahlen mussten, obwohl berechtigte Schadensersatzansprüche bestanden oder schon vorher her-ausgegeben haben, um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Eine aus Vermietersicht sehr unbefriedigende Rechtslage, da selbst professionell aufgestellte Vermieter in der Regel nicht auf den Gedanken gekommen sind, eine formaljuristische Erklärung ohne jeden erkennbaren Sinn abgeben zu müssen, um ihr Aufrechnungsrecht zu behalten.

3. Die (Er-)Lösung durch den Bundesgerichtshof (BGH)

So sieht es auch der BGH, der die Diskussion jüngst mit Urteil vom 10.07. 2024 (Az. VIII ZR 184/23) beendet und klargestellt hat, dass der Vermieter – um die Aufrechnungsmöglichkeit zu erhalten – keine Erklärung zum Inhalt seines Anspruchs abgeben muss. Aus der – insgesamt wesentlich ausführlicheren – Begründung seien folgende Aussagen wörtlich zitiert: „Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage, welche einer im Wohnraummietverhältnis getroffenen Barkautionsabrede typischerweise – und mangels festgestellter oder sonst ersichtlicher Besonderheiten auch hier – zugrunde liegt, ist diese regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern soll.“

4. Konsequenz

Die Entscheidung des BGH stellt sich gegen formaljuristisch begründbare, im Übrigen und insbesondere für den „Normalvermieter“ aber kaum nachvollziehbare Ansätze, die aus Vermietersicht ohnehin bereits unbefriedigende Rechtslage noch weiter zu verschlechtern. Berechtigte Schadensersatzansprüche wegen des Zustandes der Mietsache kann der Vermieter auch dann noch gegen den Anspruch des Mieters auf Rückgewähr einer Barkaution aufrechnen, wenn die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB abgelaufen ist.


Zum Autor: Dr. Christof Kiesgen ist Partner der Rechtsanwaltssozietät Busse & Miessen in Bonn. Er ist spezialisiert auf die gerichtliche und außergerichtliche Interessenvertretung in immobilienrechtlichen Angelegenheiten, insbesondere im Rahmen von Immobilientransaktionen sowie mietrechtlichen und wohnungseigentumsrechtlichen Fragestellungen.
Die gemeinsame Tätigkeit mehrerer spezialisierter Kolleginnen und Kollegen ermöglicht der mit Standorten in Bonn, Berlin und Leipzig vertretenen Kanzlei seit Jahren die von ihren Mandanten geschätzte individuelle, zielorientierte und effiziente Mandatsbetreuung. Weitere Informationen unter:
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